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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 3
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0121

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mit Leib und Seele der „Neuen Sachlichkeit“
verschrieben hat. Von besonderer Einprägsam-
keit ist in der Erfassung der Materie die Wie-
dergabe seiner Stilleben. Man fühlt förmlich,
die Spröde des Linoleums, faßt nach den ein-
zelnen Geräten. Jedes Ding hat seine plasti-
sche, dreidimensionale Eigenexistenz und doch
greifen alle Objekte farbig und komposilionell
ineinander. Weniger als diese Stücke, die eine
bei der Jugend Plohergers erstaunliche Reife
bekunden, befriedigen die Bildnisse, die in
dem Streben nach möglichster Vereinfachung
in Form und Farbe mitunter zu Masken er-
starren. -
In der bildnisgraphischen Ausstellung des 11a-
genbundes fallen unter den neuen Mitglie-
dern zwei bisher nur wenig hervorgetretene
junge Künstler auf, deren graphische Arbei-
ten zu schönen Hoffnungen auf diesem Gebiet
berechtigen: der lyrische W. Klier, Schöpfer
empfindsamer Mädchenköpfe und eines treff-
lichen Charakterkopfes des Schriftstellers 0.
Stößel und der Ekstatiker G. Pevetz, dessen
Bildniszeichnung eines Salzburger Kunst-
historikers von geradezu barocker Wucht ist.
Poglayen-Neu wall
PERSONALIA
Ernst Grosse, außerordentl. Professor an
der Universität Freiburg i. Br., ist im Alter
von 64 Jahren einer Kopfgrippe erlegen. Der
Tod dieses liebenswürdigen Menschen und
feinsinnigen Kenners ostasiatischer Kunst und
Kultur bedeutet einen wesentlichen Verlust.
Grosse war im ureigensten Sinne der Schöp-
fer des neuen Berliner ostasiatischen Muse-
ums und Stifter des beachtlichen Grund-
stocks dieser Sammlung, die ohne ihn nie ge-
worden wäre. (Eine Tatsache, an die sich hof-
fentlich der preußische Staat jetzt erinnern
wird, nachdem die Inflation auch das Privat-
vermögen dieses Idealisten restlos vernichtete.)
Von den Schriften Großes sind die über die
Anfänge der Kunst und der Band über die ost-
asiatische Tuschmalerei (die Kunst des Ostens,
Bd. VI) an erster Stelle zu nennen. Unter den
eigentlichen Begründern des „Jahrbuchs der
asiatischen Kunst“ stand Grosse mit an erster
Stelle. B
Mitte 1926 verstarb, kaum vierundvierzigjäh-
rig, an den Folgen eines langwierigen Herz-
leidens der russische Kunsthistoriker Dr.
TrifonGeorgjewitschTrapesnikoff,
der im Kunstleben und im Museumswesen sei-
nes Vaterlandes während des letzten Jahrzehnts
eine hervorragende Rolle gespielt hat.
Trapesnikoff entstammte einer alten Moskauer


Herbert Ploberger Interieur 1926
Ausgestellt im Kunstsalon Würthle, Wien

Kaufmannsfamilie und verbrachte seine Stu-
dienjahre an den deutschen Universitäten in
Leipzig, Straßburg, München und Heidelberg,
wo er Schüler Tliodes war. In seine Heimat
kehrte Tr. erst in den Kriegsjahren zurück
und war dann als Leiter des Kupferstichkabi-
netts am ehemaligen Rumjantzoff-Museum
tätig, an dessen Neuordnung er lebhaftesten
Anteil nahm. Besonders intensiv und vielsei-
tig entwickelte sich jedoch seine Tätigkeit erst
in der stürmischen Revolutionszeit, als es not-
wendig wurde, bedrohte Kunstschätze vordem
Verlust zu retten und die Museen Sowjetruß-
lands auf neuer Grundlage zu reorganisieren.
Seine stille Natur entfaltete in dem neuen
Wirkungskreise ein großes Maß von Energie
und ein starkes Organisationstalent. Im De-
partement der Museumsangelegenheiten wid-
mete sich Tr. speziell dem Denkmalschutz und
dem Ressort der Provinzmuseen. Ungeachtet
seiner zarten Gesundheit war er stets an erster
Stelle, wenn es galt, wertvolle Sammlungen
und Kunstwerke aus entlegenen Landgütern
oder Klöstern, meist unter schwierigsten Um-
ständen zu evakuieren und in Sicherheit zu
bringen. Die zahlreichen größeren und kleine-
ren Museen, die damals in früheren herr-
schaftlichen Landsitzen und Wallfahrtsorten
Rußlands geschaffen wurden, haben Tr. un-
endlich viel zu verdanken. Ebenso hat er viel

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